Vertrauen ist alles
Jedes Jahr kam ein Zirkus in unsere Stadt und schlug sein großes Zelt auf dem Schützenplatz auf. Oft waren auch Zirkuskinder dabei, die von ihren Eltern in die benachbarte Grundschule geschickt wurden. Für uns Kinder in der Klasse gab es dann immer eine schöne Abwechselung, ein Zirkuskind bei sich zu haben.
Eines Tages stand Manjana in der Tür. Unsere Lehrerin stellte sie vor und wünschte ihr eine gute Zeit in der Klasse. In den Pausen erzählte Manjana viel über ihren Zirkus, über die Tiere, die Clowns und die Artisten. Die meisten meiner Mitschüler wurden deshalb neugierig auf die bevorstehende Aufführung. Oft gab es dann auch noch Freikarten.
So war es auch diesmal. Manjana stand schon am Eingang bereit und begrüßte ihre neuen Mitschüler, die mit ihren Eltern gekommen waren. An diesem Tag waren besonders viele Kinder aus der Stadt im Zirkuszelt versammelt. Das Programm riss die Zuschauer mit und jeder wartete gespannt, was noch alles kommen sollte.
Plötzlich fuhr eine Clownfrau in die Manege. Sie hatte lange, rote Haare und saß mit ihrer weiten Pluderhose auf einem knallroten Fahrrad. Auf dem Gepäckträger klemmte ihr roter Koffer. Weil aber in der Manege Sägespäne lagen, konnte sie nicht so gut fahren und fiel mit ihrem Klapprad auf die Nase. Das Publikum lachte und die Clownfrau schimpfte mit ihrem ungeschickten Fahrrad. Und weil es ihr keinen Spaß machte in der Manege zu fahren, nahm sie das rote Klapprad auf ihre Schultern, packte ihren Koffer und kletterte den Artistenturm hinauf. Quer durch die Manege war ein Stahlseil für die Luftkünstler gespannt. Die Clownfrau fragte die Kinder: „Na, sagt mal, glaubt ihr, ich kann hier mit meinem Rad über das Seil fahren ohne abzustürzen?“ Die Kinder schrien durcheinander. Einige verneinten, andere glaubten es wohl. Dann wurde es ganz still in der Manege. Sie bestieg ihre rotes Klappfahrrad, schnallte den Koffer fest und setzte sich vorsichtig in Bewegung. Und ehe sich die ungläubigen Kinder versahen, fuhr sie langsam über das gespannte Seil lang durch die Luft.. Mit ausgebreiteten Armen nahm sie im Ziel den Jubelsturm der Menge entgegen.
Als der Applaus leiser wurde, schnallte sie ihren roten Koffer ab und warf ihn hinunter in die Manege. Die Sägespäne wirbelten durch die Luft und die Kinder hatten ihren Spaß. „So!“, rief die Clownfrau dann nach unten, “ wer setzt sich auf meinen Gepäckträger und fährt mit mir über das Seil?“ Es wurde ganz still in der Manege. „Los, wer traut sich?“, fragte sie die vielen Kinder noch einmal.
Da rief Manjana, die bei ihren neuen Mitschülern in der Reihe saß, ganz laut: „Ich“. Sie kletterte geschickt den Turm hinauf und alle hielten den Atem an. Als sie oben war, stieg sie behutsam auf den Gepäckträger und die Clownfrau fuhr los. Es war mucksmäusenstill. Als die beiden am Ende des Seiles angekommen waren, tobte die Manege und die Kinder klatschten wild durcheinander. Danach kletterten beide den Turm wieder hinunter und Manjana setzte sich zurück zu ihren Mitschülern. „Du“, fragte Katrin, „hattest du da oben keine Angst?“ „Natürlich nicht, die Clownfrau ist doch meine Mutter…“ lachte Manjana.
© Hans-Werner Kulinna
Vielen Dank für die wunderschöne Geschichte.Ich habe sie durch einen Familien-Gottesdienst- von Besuchern dort -erfahren. .
Unverbindliche Anfrage an Sie:Dürfte ich diese Geschichte wietergeben ,da ich immer zu Weihnachten an Familie,Freunde usw. eine Gesch9ichte verschicke.Allerdings wären das 130 Fotokopien nötig.
Wenn das nicht geht,schreiben Sie mir bitte kurz.Ich bin 80Jahre alt und kenn mich mich mit den Rechten dazu nicht so aus.Im voraus herzl. Dank und Gruß,Ihre Rose Stauß
Sehr geehrte Frau Stauß! Ich freue mich, wenn die Geschichte gefällt. Selbstverständlich dürfen sie den Text mit meinem Namen weitergeben.. Liebe Grüße, Hans- Werner Kulinna